Die Entstehungsgeschichte unserer Seen
Die Förderung von Braunkohle und somit die Entstehung der Seen rund um Großkrotzenburg
Viel später als die Verwendung der technisch nutzbaren Gesteinsarten Kies, Sand, Ton und Basalt erkannten unsere Vorfahren die Bedeutung der Kohle. Im Zeitalter des Karbon, vor etwa 350 Millionen Jahren, breiteten sich riesige Sumpfwälder aus, welche die Grundlage der späteren Kohlenlager bildeten.Überflutungen, Verwerfungen, Vereisungen lösten sich ab, überlagerten die in wechselnden Epochen heranwachsende, ungewöhnlich üppige Vegetation. Blätterabdrücke von Pflanzen, die heute nur noch in südlichen Regionen vorkommen, zeugen vom tropischen Klima jener Zeiten. Je weiter diese Vorgänge zurückliegen und je größer der Druck auf den in die Tiefe sinkenden pflanzlichen Stoffen lastete, um so besser wurde die Qualität der Kohle.
Die jüngste und zugleich auch die einzige Kohlenart, die in unserer Region vorkommt ist die Braunkohle. Sie entstand aus den letzten geologischen Ablagerungen über den riesigen Auwäldern und Waldmooren, die das Maingebiet vor dem Einsetzen der Eiszeit bedeckten. Die Schichten liegen im Becken zwischen Spessart und Main um die Ortschaften Alzenau, Kahl, Größwelzheim, Sellgenstadt, Groß- und KleinKrotzenburg und Hanau. Die Lagerstätten bilden jedoch keine zusammenhängenden Schichten und treten in Stärken bis zu 20 Metern auf. Das Alter dieser Kohle schätzt man auf 40 bis 60 Millionen Jahre.
Aufgrund der großen Holzreserven interessierte man sich in Hessen relativ spät für ihre Verwendung als Brennmaterial. Erst als der Raubbau der Wälder Ende des 18. Jahrhunderts zu spürbarem Holzmangel führte, begann man mit dem Abbau der Braunkohle. Ludwig 1., seit 1806 Großherzog von Hessen-Darmstadt, gewährte seinen Untertanen sogar Steuererleichterungen, wenn sie zur Kohlenfeuerung übergingen. Doch nur wenige seiner armen Bürger konnten sich diesen Luxus leisten.
Erste erfolgversprechende Funde machte man in Seligenstadt. So schrieb der schon oft zitierte Steiner 1820: "An dem linken Mainufer vor dem Steinheimer Tor fand man nämlich tief in der Erde faule Stämme, die die Eigenschaft von Braunkohle hatten und zur Zubereitung einer Kupferschwärze sehr brauchbar erschienen. Man legte deshalb eine Hütte an und fertigte lange Zeit bedeutende Qualitäten dieses Materials und fand starken Absatz" Hier ging es also um die Herstellung von Druckerschwärze, denn Steiner nennt den Betrieb "Schwarzhütte" und nicht etwa Kohlengrube.
Der Abbau an den schrägen Hängen der Kohlenflöze begann zunächst im
Handbetrieb. Eine Schicht mit zwei Bergleuten schaffte 100 Wagen mit je zehn Zentner
Die Förderung beginnt
Erst am Ende des Jahres 1877 nahm im beschriebenen Gebiet die Braunkohlenzeche "Amalla Nitscherlich" die Braunkohlenförderung auf und stellte Briketts im Naßverfahren her. Das geschah auf ähnliche Weise wie die Herstellung von Backsteinen. 20 Zentner, etwa 1000 Stück kosteten 11 Mark. Aus dem abgebauten Rohmaterial entfernte man die groben Stein- und Holzstücke und breitete die bröckelige Braunkohle auf dem Boden aus. Unter Zusatz von Wasser zerstampfte man sie mit den nackten Füßen zu einer breiigen Masse. Den zähen Brei preßte man nun in viereckige Formen, die nach der ersten Trockenphase entfernt wurden. Zu Haufen gestapelt blieben die quaderförmigen Formstücke bis zum völligen Austrocknen vor Regen geschätzt in einer offenen Halle sitzen."Braunes Gold" auf bayerischem Gebiet
Aufgrund des großen Absatzes der hochwertigen Heizprodukte ließ der geschäftstüchtige Direktor der Braunkohlengewerkschaft "Amalie" Gustav Müller auch auf der bayerischen Seite des Maines Bohrungen vornehmen. Was er vermutete, traf ein: 1882 fand er mächtige Braunkohlenlager, deren Erschließung sich lohnen sollte.
Die Förderung im Tagebau "Gustav" wurde 1925 aufgegeben. Es bildet den heiutigen "Gustavsee"
Den Abbau der Erddecke über den Kohleflözen übernahm eine Tiefbaufirma. Der unmittelbar auf der Kohle lagernde Kies wurde ab 1908 nach Frankfurt geliefert und dort zum Ausbau des Ostbahnhofes verwendet. Nach Angaben der Werksleitung verließen täglich 80 bis 100 mit Kies beladene Güterwagen den Tagebau der "Gewerkschaft Gustav". Schwierig und gefährlich war die Herstellung der Schächte zur Entwässerung des Kohlenlagers. Das Grundwasser mußte mit Pumpen über Rohrleitungen zu Tage gefördert und durch Gräben in den Main geleitet werden. Zwei Duzend Pferdegespanne, die später durch Dampf- und Elektroloks ersetzt wurden, brachten die zunächst noch in Handarbeit abgebaute Kohle in Loren zur Fabrik. Hier wurde die Rohkohle unter starkem Druck zu Briketts gepreßt.
Tagewerk "Gustav" mit Kraftwerk und Briketfabrik im Jahre 1922Dampf und Elektroloks beförderten die
Rohkohle auf einem Schmalspurschienennetz, das die verschiedenen Gruben mit der Fabrik verband
Mainbriketts - ein Gütezeichen
Im August 1904 verließen die ersten Briketts mit dem Aufdruck "Glückauf, Gewerkschaft Gustav, den 15.8.04" ' die Werksanlagen. Die über 130 Arbeiter und Angestellten zählende Belegschaft feierte das Ereignis mit Freibier. Später gingen die Briketts, mit der Prägung "MAIN" versehen, in de Handel.Die wegen ihrer guten Qualität geschätzten Mainbrikett wurden auf internationalen Ausstellungen mit Preisen und Medaillen ausgezeichnet. Der Versand erfolgte überwiegen mit dem Schiff und der Bahn, wozu ein Gleisanschluß zum Bahnhof Dettingen verlegt wurde. Käufer aus der Umgebung holten den Brennstoff mit Handwagen und Fuhrwerken und zahlten ab Werk 68 Pfennige für den Zentner.
Die Belegschaft, die 1904 noch 133 Beschäftigte zählt stieg Anfang der 20er Jahre auf über Tausend an. Der Tagesverdienst lag bei zwölfstündiger Arbeitszeit zwischen 2,5 und 4,50 Mark. Außerdem zahlte die Werksleitung, je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit, Weihnachtsgratifikationen in Höhe von 3 bis 12 Mark.
Auch außerhalb ihrer Geschäftsaufgaben zeigte sich die Werksleitung recht großzügig. Im Januar 1925 gründete sich in Seligenstadt der "Brückenbauverein für Seligenstadt und Umgebung EV". Damit sollte ein lang gehegter Wunsch der Industrie wie auch der Arbeiterschaft, eine Brücke über den Main zu bauen, in die Tat umgesetzt werden. Die Bergwerksdirektoren der Zeche Gustav, Marburg und Dr. Ackerblom, boten sofort ihre Unterstützung beim Bau der Brücke an. Sie stellten in Aussicht, die täglich im Werk anfallende Asche und Schlacke als Auffüllmaterial, und Gleise und eine Benzol-Lokomotive zum Transport der Abfallprodukte kostenlos zur Verfügung zu stellen. Sie brauchten ihr großzügiges Angebot nicht einzulösen. Das Gerangel der für den Brückenbau zuständigen Länder Hessen und Bayern um die Notwendigkeit und um den Kostenanteil an der Finanzierung beschäftigte die damit beauftragten Instanzen über Jahre hinweg, bis das Projekt im Oktober 1937 endgültig ad acta gelegt wurde.
Die Produktion der Mainbriketts stieg von Jahr zu Jahr. Neue Braunkohlenlager wurden erschlossen, die Fabrikationsräume erweitert, die Maschinen laufend auf den neuesten technischen Stand gebracht.
Hohe Gewinne durch Stromerzeugung
Von Anfang an erzeugte die Zeche ihren Strom selbst. Mit der Steigerung des Eigenbedarfs entschloß sich die Werksleitung auch zum Verkauf der elektrischen Energie an Dörfer und Städte der Umgebung. Sie schloß Verträge mit den Gemeinden Dettingen, Großwelzheim und Kahl, mit der Stadt Aschaffenburg, mit kleinen Handwerksbetrieben und großen Industrieunternehmen und baute Fernleitungen zur Versorgung ihrer Kunden. Der Rohstoff Braunkohle war längst zu einem wichtigen Faktor der Energieerzeugung geworden, und seine Förderung und Verarbeitung brachte hohe Gewinne. So stieg die Stromerzeugung des Kraftwerkes, begünstigt durch die rasante industrielle Entwicklung im 20. Jahrhundert, bis 1914 auf 20 Millionen kWh an.Zur Beinah-Katastrophe führte der Bruch des Schutzdammes gegen Hochwasser im Frühjahr 1914, bei dem die Fluten des Maines die Tagbaue der "Gewerkschaft Gustav" überschwemmten. Nur durch die sofortige Erschließung neuer Gruben konnte die Kohlenförderung nach kurzer Unterbrechung wieder aufgenommen werden. Über diese Flutkatastrophe wurde im Kapitel "Hochwasser" ausführlich berichtet.
Das Werk expandiert
Während des ersten Weltkrieges zwang der allgemeine Kohlenmangel die Überlandwerke des Kreises Offenbach und Darmstadt zum Zusammenschluß mit der Unterfränkischen Stromversorgungsquelle: der "Gewerkschaft Gustav". Neue Turbinen und neue große Kesselanlagen mußten installiert werden. Drei weiterhin sichtbare Schornsteine von 90, 92 und 100 Metern Höhe bestimmten nun über Jahrzehnte das Landschaftsbild des Maines zwischen Klein-Krotzenburg und Seligenstadt. Erst 1971 wurden sie im Rahmen der Neugestaltung des gesamten Fabrikationsprozesses gesprengt.In den Jahren nach dem ersten Weltkrieg entstanden die Gruben "Friedrich", "Emma-Süd", "Emma-Nord" und der Tagebau "Freigericht". So konnte Direktor Marburg in seiner Rede zur 25 Jährigen Jubiläumsfeier der Zeche u.a. stolz verkünden: "Wo früher fleißige Bauersleute dem sandigen Boden der Untermainebene Korn und Kartoffeln abgewannen, stehen heute saubere Beamtenwohnungen mit schmucken freundlichen Gärtchen, größere Bauten für die Büroräume der Direktion und Beamtenschaft.
Anschließend an die Kohlenpressen erhebt sich die Kesselanlage für das Kraftwerk. Sie enthält 19 große Dampfkessel mit über 7000 Quadratmeter Heizfläche. Die zur Dampferzeugung verarbeitete Rohkohle beträgt täglich 1800 bis 2600 Tonnen. Zur Bewältigung des Abraums- und des Grubenbetriebes sind zur Zeit vorhanden 7 Bagger, 13 Dampf und 8 elektrische Lokomotiven.
Mit großen Schaufelbaggern und riesigen Dampfbaggermaschienen wurde das Fördergut in die Eisenbahnwaggons gefüllt
Nach dieser optimistischen Betrachtung des Zechendirektors schien die "helle Welt" für die im Braunkohlenbergbau Beschäftigten in Ordnung. Doch schon kurze Zeit später brach das wirtschaftliche Desaster über die Zeche "Gustav" herein, wofür es mehrere Gründe gab. Der Abbau der Kohle verteuerte sich wegen der tieferen Lage und der geringeren Mächtigkeit der zuletzt angeschnittenen Flöze. Außerdem war sie von minderer Qualität. Darüber hinaus belasteten Arbeitskämpfe, die zu Streiks, Aussperrungen und Entlassungen führten, das Betriebsklima.
Die Anzahl der Beschäftigten ging 1927 auf 700 zurück.
Im Jahre 1928 war der Abbau der vorhandenen Braunkohle unwirtschaftlich geworden, zumal Streiks der Grubenarbeiter die Förderung der Restbestände störten. Infolgedessen wurde noch in diesem Jahr die Förderung eingestellt, die teuren Bagger abgebaut und die Grube Freigericht mit einem Teil der Anlagen ihrem Schicksal überlassen. Da das aus unterirdischen Quellen einströmende Wasser nicht mehr abgepumpt wurde, füllte sich die Grube innerhalb eines Zeitraumes von nicht ganz 2 Jahren mit Wasser.
See Emma Nord heutiges Waldseebad
Als die Grube gefüllt war und überlief, suchte sich das Wasser wieder seine natürlichen Überläufe über den Hergerswiesengraben und den Mühlgraben (Weiherbach). Hierdurch hatte dieser neu entstandene See eine natürliche Verbindung zum Main.
Ein Strandbad entsteht
Im Zuge der Arbeitsbeschaffung im Dritten Reich richtete die Gemeinde an der ehemaligen Grube "Freigericht" ein Strandbad ein, das im Olympiajahr 1936 eröffnet wurde. Im Wetteifer mit dem Kahler Waldschwimmbad entstand in den 6oer Jahren mit großem Kostenaufwand das moderne, großzügig angelegte und vielbesuchte Strandbad "Spessartblick" So profitierte neben den bayrischen Gemeinden Kahl und Großwelzheim auch das hessische Großkrotzenburg vom ehemaligen Braunkohleabbau. Wo einst laut rasselnde Kettenbagger die schattigen Wälder und die blühenden Wiesen zerrissen und eine chaotische Landschaft hinterließen, vergnügen sich heute an sonnigen Sommertagen Tausende von Badegäste , Wassersportler, Sportangler und Camper.
Strandbad Spessartblick